Orfeos Erben in Frankfurt
Kino und Restaurant Orfeos Erben: „Die Corona-Hilfemaßnahmen von Bund und Land verschaffen uns erstmal etwas Luft“
Das Orfeos Erben in Frankfurt Bockenheim ist jedem Arthouse-Kino-Fan auch jenseits der Stadtgrenzen bestens bekannt. Wer einen besonderen Abend in historischen First-Class-Sitzen der Lufthansa verbringen will, kann das hier gleich in zweierlei Hinsicht tun. Denn zum Kino gehört seit seiner Gründung Anfang der achtziger Jahre (damals hieß es nur „Orfeo“) auch ein eigenes Restaurant mit Bar. Kulinarische und cineastische Genüsse können hier also wunderbar miteinander verbunden werden. Der originelle Kinosaal mit seinen rund 80 bequemen, breiten Sitzen und der stilvoll urbane Flair des Restaurants treffen den Geschmack der Gäste.
Betrieben wurde das Kino einst u.a. von Karl Baumgärtner, einem der renommiertesten unabhängigen Produzenten und Filmverleiher Deutschlands, sowie Mitbegründer der Produktions- und Verleihfirma Pandora Film. Diese hat berühmte Filme wie z.B. „Das Piano“ nach Europa geholt und war als Ko-Produzentin zahlreicher bedeutender Independent Filmemacher wie Jim Jarmusch oder Ari Kaurismäki tätig.
Als die damaligen Betreiber des Orfeo ausschieden, übernahm Andreas Lucas den Betrieb. Der Komponist und Musikproduzent war Anfang der 1990er Jahre mit seiner Musik- und Audiopostproduktion in dasselbe Gebäude des Kinos und Restaurants eingezogen und wurde mit der Zeit zum Stammkunden. Da er die Schließung des Orfeos keinesfalls hinnehmen wollte, übernahm er schließlich die Geschäfte, baute um und feierte unter dem Namen „Orfeos Erben“ 1999 Wiedereröffnung. Unter einem Dach in der Hamburger Allee leitet er bis heute neben seiner Musik- und Audiopostproduktion FunDeMental Studios das Orfeos Erben, wo er im Kino auch Dienstleistungen wie Mehrkanalmischungen und Final Grading anbietet.
Rund 2-3 Filmvorstellungen täglich, ein belebtes Mittagsgeschäft dank zahlreicher Firmen und Stammkunden aus der Nachbarschaft sowie viele sogenannte MICE Events (Meetings Incentives Conventions Exhibitions) und individuelle Veranstaltungsformate: So sah der Alltag im Orfeos Erben aus, bevor die Ausbreitung des Corona-Virus alles auf den Kopf stellte.
Herr Lucas, wann wurde Ihnen klar, welche Tragweite die Corona-Krise für Ihr Kino haben würde?
Meine Kollegin Antje Witte, die die Kinoleitung innehat, hat bereits weitreichende Auswirkungen geahnt, als die Premiere des neuen James-Bond-Films verschoben wurde. Ich habe noch einen Moment länger gebraucht. Aber als die Light + Building-Messe abgesagt wurde, wurde auch mir bewusst, dass uns die Krise hart treffen würde. Denn die rund ein Dutzend Veranstaltungen, die im Rahmen der Light + Building bei uns gebucht waren, wurden kurzerhand alle abgesagt bzw. verschoben.
Danach ging dann alles sehr schnell und innerhalb weniger Tage mussten wir Kino und Restaurant komplett schließen. Von heute auf morgen sind also jegliche Einnahmen weggebrochen.
Ein harter Schlag! Wie sind Sie mit dieser Situation umgegangen?
Aus Erfahrung weiß ich, dass es immer mal wieder Momente gibt, in denen man schlicht nicht weiß, wie es weitergeht. Aber ich habe ein Zuversichts-Gen in mir. Auf der Suche nach Lösungen bewegt man Dinge, kommt ins Grübeln, führt Gespräche…und dann irgendwann tun sich immer Optionen und Auswege auf.
Die Politik hat recht schnell reagiert und Hilfspakete für die Wirtschaft geschnürt. War das ein solcher Ausweg, der auch für Sie sofort in Frage kam?
Ich muss zugeben: Bei den zunächst angekündigten Maßnahmen, in die auch die Hausbanken einbezogen werden und ein Risiko mittragen müssen, war mir klar, dass viele Tücken im Detail stecken können und auch der zeitliche Rahmen für uns problematisch sein würde. Aber als ein Bekannter mich auf einen Zeitungsartikel aufmerksam machte, in dem von einem Direktdarlehen ohne Hausbank die Rede war, wurde ich gleich hellhörig.
Sie sprechen das Produkt Hessen-Mikroliquidität der WIBank an. Unternehmen haben sich in den letzten Wochen recht oft über die vielen bürokratischen Hürden und Stolpersteine bei der Beantragung einiger Corona-Hilfsmaßnahmen beklagt. Was sind Ihre Erfahrungen mit der Hessen-Mikroliquidität?
Nach 30 Jahren Erfahrung in Sachen Kreditbeantragung und den damit einhergehenden üblichen Prozessen war es diesmal für mich ein geradezu surreales Setting: Zwischen dem ersten Informationsgespräch mit einem Mitarbeiter der IHK Frankfurt und dem Geld auf meinem Konto sind gerade einmal 10 Tage vergangen. Ich habe die Beratung und Hilfestellung von der IHK als äußert schnell und kompetent erlebt. Der Prozess hinter der Beantragung der Hessen-Mikroliquidität scheint mir aus Kundensicht höchst effizient und auch die Konditionen sind aus meiner Sicht absolut fair.
Darüber hinaus haben wir die Corona-Soforthilfe des Bundes beantragt, einige Kolleginnen und Kollegen mussten wir leider in Kurzarbeit schicken und wir machen Gebrauch von der Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen sowie Steuerabgaben. Die Kombination aus allem verschafft uns Luft, um einige Zeit über die Runden zu kommen. Wie es mittelfristig aussieht, müssen wir dann sehen.
Wie optimistisch schauen Sie in die Zukunft?
Wie gesagt, ich blicke eher zuversichtlich in die Zukunft. Meiner Ansicht nach befinden wir uns in Deutschland in einer vergleichsweise komfortablen Situation, sowohl was den Verlauf der Pandemie als auch die Einschränkungsmaßnahmen angeht. Ich gehe von einer sukzessiven Lockerung der Maßnahmen aus, wobei ich das langsame Rantasten an die Lockerungen nachvollziehen kann. Kino und Restaurant schnell wieder aufmachen, um beides dann kurze Zeit später doch wieder schließen zu müssen, wäre die denkbar schlechteste Variante.
Ich habe die leise Hoffnung, dass wir ab August oder September den Betrieb eingeschränkt in entsprechend etwas kleinerem Rahmen wieder aufnehmen dürfen. Betsy Hermsen betreut als Event Managerin unseren Veranstaltungsservice und ist mit vielen unserer Kunden in stetigem Kontakt. Dabei wird deutlich, dass sowohl wir als auch unsere Kunden nur auf Sicht planen können. Wir alle müssen die Lage von Woche zu Woche neu bewerten, schauen was geht und dann flexibel auf die neuen Möglichkeiten reagieren.
Die Treue vieler Kunden, die gerade jetzt Kino- und Restaurantgutscheine bestellen, motiviert uns in diesen Zeiten besonders. Als Dankeschön legen wir noch was drauf: Alle, die einen Restaurant-Gutschein ab 50 Euro bei Orfeos Erben bestellen, bekommen einen Kinogutschein gratis dazu. Wir lassen uns also für unsere Kunden auch etwas Neues einfallen, um nach der Krise gemeinsam wieder durchzustarten.
Das Interview führten wir während der Corona-Krise im April 2020.