Einen neuen Kampf wagen
„Raus aus dem Kopf, rein in den Körper!“ Dieses außergewöhnliche Prinzip verfolgt Oliver Dreber in all seinen Workshops, Trainings und Vorträgen. Mit seinem Institut „Hara Do“ schuf er einen Erfahrungsraum für das Erleben von Kommunikation in Verbindung mit der Kampfkunst.
Im Interview erzählt er von seiner einzigartigen Geschäftsidee, von seinem Mut, diesen Neuanfang zu wagen, und warum es sich lohnt, auch im Erwachsenenalter ab und zu einen Purzelbaum zu machen.
Ihr Motto „Raus aus dem Kopf, rein in den Körper!“ klingt sehr ursprünglich; der Begriff „Hara Do“ wirkt spirituell. Verraten Sie uns die Bedeutung!
Hara Do ist japanisch und bedeutet „Der Weg zur Mitte“. Genau diesen Weg versuche ich zu begleiten. Hara ist ein ganz essenzieller, spirituell-philosophischer Begriff. Er beschreibt eine Verfassung, eine Auffassung des Menschen zum Leben. Er ist die Rückbesinnung auf das, was wir sind, nämlich körperliche Wesen. In gewisser Weise ist Hara ein Gegenentwurf zu Logos, dem Rationalen, dem Verstand.
In der westlichen Welt sind wir durch die griechische Philosophie geprägt, die auf dem Verstand beruht und effizienzorientiert ist. Meine Workshops und Trainings stehen unter dem Motto „Raus aus dem Kopf, rein in den Körper!“ Sie beginnen z. B. mit der Aufforderung: „Machen Sie einen Purzelbaum!“ Das kommt den Teilnehmern meist komisch vor. Als Erwachsene tun wir uns oft schwer mit solchen natürlichen Bewegungsmustern. Wir sind dem Körperlichen enthoben.
In der Kampfkunst kommen die körperliche und die geistige Ebene zusammen. In meinen Workshops lässt sich diese Verbindung erleben.
Wie genau lässt sich diese Verbindung in Ihren Workshops erleben?
In Rollenspielen stellen wir Szenarien dar. So können wir sehr realitätsnah arbeiten. Stellen wir uns eine solche Situation vor: Eine Projektmanagerin soll einen Kick-off moderieren. Die Teilnehmer des Meetings sind desinteressiert, tippen auf ihren Smartphones und kritisieren schließlich ihre Ideen. Wir üben, wie die Projektleiterin die Kontrolle über die Szenarioteilnehmer zurückerhält und Verbalattacken abfedern kann. Wir zerlegen die Situation in kleinere Einheiten und probieren Körperübungen aus.
Ein Beispiel: Wie stehe ich da? Stehe ich sicher auf beiden Beinen? Habe ich ein Bein eingeknickt? Ein sicherer Stand strahlt Sicherheit aus. Dadurch kann ich meinem Gegenüber standhalten. Die Körperhaltung ist immer ein Spiegel mentaler Haltung. Und umgekehrt: Durch eine gute Körperhaltung gewinne ich eine stabile mentale Haltung.
Ziel der Übungen ist es, ein Bewusstsein für die eigene körperliche Präsenz zu erlangen, Angst oder Nervosität zu erkennen und wahrzunehmen. Wie kann ich Aufregung in Energie verwandeln, diese Energie positiv nutzen und sinnvoll lenken? Atemübungen laden dabei energetisch auf.
Woher wussten Sie, dass Ihre Geschäftsidee eine gute Idee ist?
Meine Idee hatte eine lange Vorlaufzeit, sowohl gedanklich als auch planerisch. 2013 habe ich mit meinem Proof of Concept begonnen.
Mein Geschäftsmodell basiert auf zwei Säulen: Einerseits biete ich unter dem Motto „Wehr dich!“ für Privatkunden Trainings für Selbstbehauptung und Selbstverteidigung an. In einem Blog (www.wehrdichblog.de, Anm. d. Redaktion) gibt es Tipps, etwa für die persönliche Sicherheit in verschiedenen Lebenslagen. Durch „Wehr dich!“ hat sich unbeabsichtigt ein Zielgruppenansatz ergeben: Wir adressieren fast nur Frauen, und zwar im Kontext der Gleichstellung. Mit unserem Konzept machen wir viele Türen auf. Am Markt fehlen interessante Dienstleister, die das Thema Gleichstellung bedienen. Daraus ergab sich dann die zweite Säule: Für Firmenkunden bieten wir Workshops für weibliche Fach- und Führungskräfte an mit dem Ziel, sich z. B. in Männerzirkeln selbst behaupten zu können.
Die Idee und das Konzept habe ich lange und intensiv überprüft. Von außen erhielt ich innerhalb kurzer Zeit relativ viel Bestätigung. Als klar war, dass ich mit meinem Angebot Kunden überzeugen kann, gab es keinen Grund mehr zu warten.
Sie waren zuvor bereits selbstständig, mussten die Firma jedoch aufgeben. Woher nahmen Sie den Mut, den Schritt ein zweites Mal zu wagen?
Mit der vorherigen Firma habe ich 2008 die Auswirkungen der Finanzkrise am eigenen Leib erfahren. Plötzlich haben Kunden ihre Projekte gestoppt, Budgets gekürzt oder mussten Insolvenz anmelden. Ich musste meine Firma liquidieren. Aber ich bin mit einem blauen Auge und einem bewussten Auge davongekommen.
Wie das so ist, gingen in dieser Phase mehrere Dinge gleichzeitig zu Bruch: die berufliche Aufgabe, die private und persönliche Basis, meine Gesundheit. Ich kann jeden verstehen, der in so einer Situation den Halt verliert. Ich habe mich in dieser Phase neu kalibriert, habe mich mit dem Kämpfen und so auch mit dem Scheitern beschäftigt. Karate war immer mein Ankerpunkt.
Mit der Zeit verstärkte sich mein Wunsch, mehr aus dem Thema zu machen. Und so wuchs meine neue Geschäftsidee langsam aber stetig.
Gab es Vorurteile?
Zugegebenermaßen verfolge ich einen ungewöhnlichen Ansatz. Wenn ich mich vorstelle, dann polarisiert der Begriff „Kampf“ sofort. Entweder wollen die Leute damit nichts zu tun haben oder sind ganz interessiert und begeistert von meinem Konzept.
Ich lasse mich nicht von Vorurteilen abschrecken. Scheitern gehört eben dazu. Der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir hat in seiner Eröffnungsrede bei der Verleihung des Gründerpreises 2016 über die Qualität des Scheiterns gesprochen. Das fand ich sehr interessant. Im Silicon Valley gilt Trial and Error. Aber unsere auf Effizienz getrimmte Gesellschaft lässt das oft nicht zu. Dadurch versperrt sich viel.
Wie sind Sie auf die Fördermöglichkeiten aufmerksam geworden?
Vom finanziellen Background her hatte ich keine Liquidität. In Deutschland sind Sie eine Niete, wenn Sie als Unternehmer gescheitert sind. Sie bekommen mit einem Schufa-Eintrag noch nicht mal einen Handyvertrag. Eine klassische Finanzierung war für mich also ausgeschlossen.
Für eine Beratung suchte ich die IHK Frankfurt auf. Bei diesem Gespräch traf ich zufällig Herrn Ulrich Lohrmann von der Förderberatung Hessen; er schlug das Hessen-Mikrodarlehen zur Finanzierung vor. Dann ging es recht schnell: Frau Karen Knight von der IHK Frankfurt (Kooperationspartner der WIBank für die Beantragung des Hessen-Mikrodarlehens, Anm. d. Red.) unterstützte mich kompetent bei der Antragsstellung bei der WIBank. Innerhalb von acht Wochen war das Geld auf meinem Konto.
Mit dem Fördergeld konnte ich meine Homepage professionalisieren, das heißt meine Brandpage (www.hara-do.de, Anm. d. Red.) und den „Wehr Dich!“-Blog neu entwickeln. Das hat etwa drei bis vier Monate gedauert. Im April 2016 war alles live und wir waren präsent im Markt.
Ohne die Finanzierung hätte ich das nicht in dieser Art und Weise umsetzen können. Ein hochwertiger Außenauftritt ist das A und O. Dadurch konnte ich auch große Firmen für mein Workshop-Konzept begeistern und sie als Kunden gewinnen; die Professionalität war dazu quasi ein Steigbügel. Inzwischen habe ich tolle Kunden, ein freies Trainerteam und eine Assistentin. Ich kann mich überhaupt nicht beschweren. Und das Hessen-Mikrodarlehen war der Stern, der mir den Weg geleuchtet hat.
Wie geht es jetzt weiter? Was haben Sie als nächstes vor?
Zunächst ist es mir wichtig, dass ich die nötige Stabilität gewinne, sowohl finanziell als auch im Hinblick auf langfristige Kundenbeziehungen. Und ich strebe ein Auftragspolster an, um kleine Löcher abzufedern. Auf einer solch stabilen Basis kann ich dann den nächsten Schritt gehen. Ich habe die Idee, Digitalprodukte zu entwerfen, um zukünftig auch E-Learning anbieten zu können.
Was empfehlen Sie anderen Gründern oder Unternehmern?
Ich möchte nur Dinge tun, an denen ich Spaß habe und von denen ich überzeugt bin. Ich möchte etwas Sinnvolles machen, das etwas Positives bewirkt auf der Welt, was nachhaltig ist und einen Mehrwert generiert. Deshalb empfehle ich, sich selbst zu fragen: Was will ich? Wenn man langfristig Erfolg, Glück, Zufriedenheit und Selbstbestimmung erfahren will, dann führt kein Weg daran vorbei, das zu tun, was man von Herzen gern macht.