® Stadt Kassel

Stadtteilentwicklung in ganzheitlichem Sinne

23.07.2021

EU fördert Umbau eines Kasseler Hochbunkers zum kreativen Kulturzentrum

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Den meisten Kasselerinnen und Kasselern ist es ein Begriff: Das Stadtteilzentrum Agathof im Stadtteil Bettenhausen im Osten der Stadt. Früher war die Gegend Ursprung der Kasseler Industrialisierung. Heute hat sich das Gebiet zu einem Gewerbe- und Wohnstadtteil entwickelt, in dem so beispielhafte Ideen wie das Stadtteilzentrum Agathof auf die Beine gestellt werden. Dabei handelt es sich um einen Treffpunkt, eine Freizeiteinrichtung sowie eine Bildungs- und Begegnungsstätte für ältere und jüngere Menschen. Die unterschiedlichsten Angebote aus den Bereichen Kommunikation, Bildung, Kultur, Kreativität und Medien können hier wahrgenommen werden.

Direkt neben dem Stadtteilzentrum befindet sich ein alter Hochbunker. Dieser wurde in den 30-er bis 40-er Jahren als Luftschutzbunker errichtet und in den 80-er Jahren für den Zivilschutz umgebaut. Jetzt soll der Hochbunker Agathof für soziokulturelle Nutzungen mit Proben- und Veranstaltungsräumen umgebaut werden. Finanziell gefördert wird das Vorhaben aus Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) und aus Mitteln der der Städtebauförderung.

Wir sprachen mit Christof Nolda, Stadtbaurat der Stadt Kassel, über den Agathof, den benachbarten Hochbunker, den Zweck seines Umbaus und darüber, welche Bedeutung die Umgestaltung des gesamten Areals für die Menschen vor Ort hat.

Herr Nolda, welche Idee steckt hinter dem Stadtteilzentrum?

Das Stadtteilzentrum Agathof befindet sich in einem ehemaligen Schulgebäude an der Agathofstraße Nr. 48. Kern des Projekts ist die Förderung von Begegnungen und Kontakten sowie von Eigeninitiative und gegenseitiger Hilfe. Auch das soziale und kulturelle Leben im Stadtteil und die Erhaltung der selbstständigen Lebensführung im Alter sollen hier gestärkt werden. 
Daneben steht der Aufbau neuer, tragfähiger sozialer Beziehungen im Fokus. Diese Ziele werden durch den Aufbau und die Begleitung autonomer (Selbsthilfe-)Gruppen, z.B. in den Bereichen Begegnung und Kommunikation, Bewegung, Neue Medien, Bildung, Kultur und Kreativität realisiert, die untereinander und mit Einrichtungen der Kommune verbunden sind.
Eigentümer der Immobilie des Stadtteilzentrums Agathof ist die GWG - Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Kassel mbH. 

Wer stellt die Angebote zur Verfügung?

Die Räumlichkeiten im Haus werden von ganz unterschiedlichen sozialen und im Wesentlichen stadtteilorientierten Angeboten genutzt. So etwa von Gruppen des Stadtteilzentrums, vom Café Agathe, der Selbsthilfegruppe „die Nollis“ des Ludwig-Noll-Vereins für psychosoziale Hilfe e.V., oder auch dem Allgemeinen Gehörlosenverein Kassel und Umgebung gegr. 1889 e.V.

Sie sehen also, der Agathof fördert mit ganz unterschiedlichen Angeboten die Entwicklung einer Eigentätigkeitskultur sowie die soziokulturelle Partizipation älterer Menschen.

Gleich neben dem Stadtteilzentrum liegt ein alter Hochbunker. Dieser soll mit Hilfe von Mitteln aus dem EFRE und der Städtebauförderung modernisiert und umgebaut werden. Was steckt dahinter?

Der Hochbunker Agathof liegt im alten Ortskern des Stadtteils Bettenhausen in direkter räumlicher Nähe zum Stadtteilzentrum Agathof und dem für 2022 geplanten Mehrgenerationenplatz in der Großalmeroder Straße. Das zweigeschossige Gebäude wurde bis Ende 2019 als Probenräume für im Stadtgebiet angesiedelte Rockbands und als Lagerfläche unterschiedlicher Nutzer aus dem kulturellen Bereich genutzt.

Der Stadtteil Bettenhausen verfügt bislang nicht über größere, öffentlich zugängliche Räumlichkeiten für Veranstaltungen. Durch die Umnutzung des Hochbunkers Agathof sollen solche Räumlichkeiten für Veranstaltungen unterschiedlicher Ausrichtung, auch in Verbindung mit dem Stadtteilzentrum geschaffen werden. Hauptgegenstand des Nutzungskonzeptes ist deshalb ein vielseitig nutzbarer Bühnenraum mit Atrium, der räumlich und inhaltlich für Veranstaltungen im Stadtteil sowie für die Jugendkulturarbeit der Vereine einen wichtigen Mittelpunkt bilden soll. Zugleich ist der Bühnenraum wichtige Präsentationsfläche für die Kreativarbeit wie auch strukturelle Möglichkeit einer Öffnung des Standorts in den Stadtteil hinein. So kann sich in Bettenhausen perspektivisch ein kleines Kulturzentrum etablieren.

Gibt es schon einen Betreiber?

Zwei Kulturträger, Klang-Keller e.V. und Kulturfabrik Salzmann e.V., sollen langfristig Nutzer des Hochbunkers sein und sich weitestgehend autark um die Nutzung und Auslastung des Raumangebotes kümmern. Sie sind derzeit an anderen, suboptimalen Standorten im Stadtgebiet ansässig und mussten in den vergangenen Jahren mehrfach den Standort wechseln, da ihnen keine langfristige Nutzungsperspektive gegeben wurde. Im Agathofbunker können sie nun dauerhaft und in einem größeren Raumprogramm ihr pädagogisches und kulturelles Kreativangebot für Jugendliche und Erwachsene erweitern und tragen somit zur sozialen Stabilisierung im Stadtteil bei. Ziel ist, allen Nutzergruppen des Stadtteils und des Kasseler Ostens musikalische, kulturelle und stadtteilbezogene Kreativangebote anzubieten. Dazu zählen z.B. die Ausweitung des Raumangebots für Musik- und Bandproben, für Kreativworkshops und für ein Ton- und Aufnahmestudio. Zusätzlich sind Büro- und Projekträume für die Vereinsarbeit eingeplant. Mit beiden Nutzern wurden in einem moderierten Prozess die Grundrisse und das Raumnutzungskonzept final abgestimmt.
Dank der Förderung durch die EU werden die Städtebauförderungsmittel ergänzt und der städtische Kofinanzierungsanteil bei diesem Projekt reduziert. Zudem konnten durch die EFRE-Mittel weitere Projektbausteine, wie der Ausbau des Dachgeschosses, in die Gesamtmaßnahme integriert werden. 

Wie weit sind Sie aktuell mit dem Umbau und wann wird mit einer Eröffnung gerechnet?

Die Planungen sind bereits abgeschlossen und aktuell werden die ersten Gewerke (Abbrucharbeiten) ausgeschrieben. Wir gehen davon aus, dass wir im August 2021 mit den Bauarbeiten loslegen können. Die Eröffnung ist dann im Frühjahr 2023 geplant.

Sie sind bestimmt regelmäßig im Austausch mit den Menschen vor Ort. Wie kommen das Stadtteilzentrum und der Umbau des Hochbunkers bei der Nachbarschaft an?

Das Stadtteilzentrum ist im Stadtteil Bettenhausen und darüber hinaus ein wichtiger Begegnungsort mit einer vielfältigen Veranstaltungskultur, insbesondere für ältere Menschen. Die Angebote werden intensiv genutzt und fortlaufend an die Bedarfe der Nutzergruppen thematisch angepasst und ergänzt. Der zukünftige Standort des Hochbunkers mit seinem Angebot für vornehmlich jüngere Nutzergruppen bietet somit viel Platz für Synergien. Insbesondere die gemeinsame Freifläche im Innenhof des Stadtteilzentrums/ Hochbunkers bietet Raum für Begegnung und Austausch. Das begeistert nicht nur uns, sondern auch die Menschen vor Ort, die im Alltag von dem Angebot profitieren werden.
Wir sind der festen Überzeugung, dass durch die Erweiterung des kulturellen Kreativangebots für Jugendliche und Erwachsene im alten Hochbunker nachhaltig ein positiver und stabilisierender Impuls auf den ganzen Stadtteil ausgehen wird.

Herr Nolda, wir danken Ihnen vielmals für das Gespräch!


Geschichte des Hochbunkers Agathof

Kassel war im Zweiten Weltkrieg als Gauhauptstadt und Rüstungsindustriestandort bevorzugtes Ziel alliierter Luftangriffe. Schutz boten zahlreiche Bunkerbauwerke, darunter auch acht öffentliche Hochbunker.

Mitten im Krieg wurde der Hochbunker in der Agathofstraße 48a neben dem alten Schulgebäude (heute Stadtteilzentrum) begonnen. Er passte sich in seiner Formgebung geschickt der umliegenden Bebauung an, da er als landwirtschaftliches Anwesen anmutet. Das Objekt erscheint von oben aus bestimmten Perspektiven wie ein Zwillingsbruder eines noch heute danebenstehenden Fachwerkhauses. In das Satteldach waren deshalb auch Dachgauben eingebaut, die aber keine Funktion besaßen. Die Erbauer haben sich offensichtlich Gedanken über eine zivile Nachnutzung gemacht. Dafür sprechen z.B. Aussparungen für weitere Dachgauben sowie Auflager für weitere Treppen.

In den zwei Geschossen des Bunkers fanden mehrere Hundert Menschen Schutz vor den Brand- und Sprengbomben. Eingangsschleusen riegelten das Gebäude nach außen hermetisch ab. Die Betonwände und die abschließende Decke haben eine Stärke von 1-1,4 m und waren damit bombensicher. Viele Menschen konnten im Schutz dieses Bunkers die Angriffe auf Bettenhausen und seine Industrieanlagen überstehen.

Heute steht das Gebäude in einer „Perlenkette“ von sozial bzw. kulturell genutzten Sonderbauten in Bettenhausen: beginnend vom Sandershaus, einem Begegnungsort mit Hostel und Gemeinschaftsunterkunft, dem Salzmann-Areal, dem benachbarten Stadtteilzentrum Agathof, dem Rockbunker Dormannweg sowie dem Kinder- und Jugendtreff Geschwister-Scholl-Haus.

Das Landesamt für Denkmalpflege wird das Objekt aus architektur-, militär- und lokalgeschichtlichen Gründen als Kulturdenkmal in die Denkmaltopografie aufnehmen.

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